Freitag, 9. Juni 2006

Freitag, 09.06.2006 ::: Rückreise und Abschluss

Rückreise von Muxia - nach einem Frühstück vor einer noch geschlossenen Bar in der Nähe der Bushaltestelle - zunächst mit dem Bus nach Santiago unter v.a. für Lioba etwas erschwerten Bedingungen. Der Bus war schon etwas betagt und die zusteigende männliche Landbevölkerung hält hier wohl komplett und konsequent den Badetag am Samstag ein (wir haben heute Freitag): diese Kombination kann schon etwas zusetzen, hatte aber in Santiago ihr Ende. Vielleicht waren ja auch die Gründer von Buenos Aires Auswanderer aus NW-Galicien? Wir wissen das nicht, können uns dies aber durchaus vorstellen.
In Santiago hatten wir dann noch etwa 4 Stunden, in denen wir unser postlagerndes 2,5 kg-Paket (abgeschickt am 08.05.06 in Estella) abholten, noch ein paar Berichte ins Weblog eintippten und die restliche Zeit durch die Altstadt von Santiago bummelten.
Von Santiago dann Flug nach Palma de Mallorca wieder in einem Airbus A 320-800, aber diesmal mit Niki und deutlich mehr Platz als bei Air Berlin.
Von hier werden wir am Abend dann noch nach Nürnberg weiterfliegen und dann einen unvergesslichen Urlaub, einen unvergesslichen Weg definitiv beenden.
Worin dies alles im Einzelnen begründet ist, lässt sich nur annäherungsweise festmachen. Sicher trägt dazu bei, dass unterschiedlichste Menschen mit unterschiedlichster Herkunft und ganz verschiedenen Motivationen auf ein bestimmtes, gemeinsames Ziel “hinarbeiten“ und sich unter all diesen Menschen ein mal mehr, mal weniger stark ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl mit gegenseitiger Unterstützung entwickelt. Allen gemeinsam ist auch, dass sich die wesentlichen Tagesinhalte um Laufen, Regeneration/Schlafen, Gespräche und Essen/Trinken drehen: alles andere tritt deutlich in den Hintergrund oder verliert seine Bedeutung gänzlich: eine Erfahrung ganz gegen den Trend, der mehrheitlich materialistisch egomanen und von Zeitdruck dominierten Verhaltensweisen im sonstigen (Urlaubs-)Leben.
Wir hatten beide jedenfalls noch nie eine derartige Zeit in dieser Länge und Intensität erlebt, in der wir mit derart vielen Menschen unterschiedlichster Herkunft in Kontakt treten konnten. Dies erlebt man aber hier nur, wenn man in den entsprechenden Pilgerherbergen übernachtet und auf dem Weg mehr oder weniger lange Strecken gemeinsam zurücklegt. Diese Erfahrung werden Buspilger oder Pilger in geführten Reisegruppen, die in irgendwelchen Hostals quasi isoliert absteigen wohl kaum erleben und auch Radpilger wohl nur sehr eingeschränkt. Auch scheinen uns kleinere Herbergen (Ausnahmen wie Grañon bestätigen die Regel) eher geeignet zu sein, diesen “Spirit“ zu (er)leben.
Auch der Weg selbst spielt unseres Erachtens eine nicht unbedeutende Rolle: auf den letzten etwa 150 km bis nach Santiago hat der Kommerz auf dem Hauptweg oft die Hauptrolle übernommen (auch hier wieder positive Ausnahmen wie z.B. die Herberge in Ponferrada) oder die zunehmende Anzahl der Einsteiger ab León oder Astorga verhindert oder erschwert ein Gemeinschaftsgefühl.
Erst nach Santiago war hier wieder ein deutlicher Umschwung zu spüren.
Dass 900 km zu Fuss nicht ganz ohne Blessuren abgehen war uns schon vorher klar, von den (meinen) Blasen haben wir ja ausgiebig berichtet. Die anderen Wehwehchen haben wir unterschlagen, nicht zuletzt auch, um den Eindruck einer Hypochondrie zu vermeiden. Wir haben auf jeden Fall keinen Tag, keine Stunde bereut und möchten keine der Erfahrungen auf diesem Weg missen.
Der Camino ist nicht nur ein Pilgerweg nach Santiago sondern auch ein Weg zu sich selbst und zueinander. So gesehen geht der Camino, unser Camino auch nach dem 09.Juni 2006 weiter.
Wir bedanken uns bei allen LeserInnen, die uns hier ein Stück mitverfolgt, vielleicht auch gedanklich ein Stück begleitet und uns dabei in irgendeiner Form unterstützt haben.
Für Fragen zum Camino im Allgemeinen wie zu unserem Camino im Besonderen haben wir immer ein offenes Ohr.
Buen camino
Lioba & Thomas

Donnerstag, 08.06.2006 ::: Fisterra bis Muxía

In Santiago trafen wir in der Tourist-Info zufällig auf einen Deutschen, der uns begeistert von dieser Strecke berichtete. Letztlich war das so eindrucksvoll, dass wir uns entschieden, statt eines Erholungstages in Fisterra, noch diese Etappe an der Westküste Galiciens, der Costa del Morte zu gehen. Das diesige Wetter von gestern setzte sich heute früh mit dichtem Nebel (die reinste Waschküche) fort, als wir gegen 6:30 Fisterra verliessen.
Zuvor hatte uns Chikayo, die bereits wach war, obwohl ihr Bus nach Santiago erst um 11:00 ging, nochmals herzlichst verabschiedet und gab uns jeweils noch einen eigentlich für sie angefertigten Talisman (sie ist Shinto-Anhängerin) mit auf den Weg. Eine für uns wirklich bemerkenswerte Frau, die wir beide in den zwei vergangenen Tagen mehr als schätzen gelernt haben.
Für den Weg nach Muxía hatten wir weder Kartenmaterial noch Wegbeschreibungen und auch die Informationen der Hospitalera in Fisterra, auf die wir eigentlich gesetzt hatten, waren mehr als spärlich. So hatten wir von Fisterra aus den richtigen Einstieg in den Weg irgendwie verpasst und fanden diesen erst nach mehrmaligem Nachfragen, was um diese Uhrzeit in Spanien nicht ganz einfach ist – man trifft kaum auf jemanden und muss dann noch Glück haben, wenn diese nüchtern sind.
In dem dichten Nebel, der die ganze Küste und das Küstengebirge einhüllte, war auch die weitere Orientierung nicht ganz einfach, zumal auf dieser Etappe die Wegmarkierungen nicht durchgehend in der gewohnten gelben Farbe sondern auch mal in grün angezeichnet waren, was im Wald besonders gut wirkt. Erst gegen 11:00 Uhr hatte es die Sonne geschafft, den letzten Nebel zu vertreiben.
An einem Fluss, ein gutes Stück nach Lires (Km 17), der einzigen Ortschaft mit Bar zwischen Fisterra und Muxía, mussten wir notgedrungen unsere Schuhe ausziehen. Der ca. 15 m breite Fluss wird hier über im Wasser liegende Granitblöcke überquert. Zur Zeit hat der Fluss aber noch einen höheren Wasserstand, sodass bis auf die ersten 3 Steine alle anderen zwischen 10 bis 30 cm unter Wasserniveau lagen. Einer davon war sogar weggekippt – mit kurzer Hose aber letztlich kein Problem.
Eigentlich waren wir davon ausgegangen, so gegen 14:30 Uhr in Muxía einzutreffen, aber der zähe Etappeneinstieg, der Nebel, die Bar in Lires, die Flussquerung und zum Schluss noch 2 Irrwege unsererseits führten dazu, dass wir erst kurz vor 16:00 in Muxía eintrafen.
Die Pilgerherberge hier ist noch in der Planung/im Bau (32 Betten), sodass Pilger hier in der hiesigen Sporthalle Unterkunft finden. Geschlafen wird auf der Tribüne, Duschen gibt es hier sowieso und ausserdem kann man hier Waschmaschine und Trockner kostenlos nutzen wenn man will.
Muxía ist seit dem 12. Jh. Bestandteil des Netzes der Jakobuswege. Sehenswert ist vor allem das “Sanktuarium von A Barca“, einer Seefahrerkirche, die der Jungfrau Maria (“Nuestra Sra. de la Barca“) geweiht ist. Daneben gibt es hier einsame Sandstrände (grössere und kleinere mit feinem, weissem Sand) für den, der so etwas mag.
Im Restaurant “La Sirena“, mit einer etwas abenteuerlich gemischten Einrichtung, die uns an Bilder aus den 50-er Jahren erinnert, hatte wir ein prima Abendmenü (gut – reichlich – preiswert) der regionalen Küche; liegt in der Rúa Condes Mareda ganz in der Nähe der Sporthalle Richtung Hafen. (=> sehr empfehlenswert!)
In diesem Restaurant hängen auch verschiedene Bilder der Schiffskatastrophen der vergangenen Jahre an der “Costa del Morte“ (Todesküste), wovon die Ölpest nach der Havarie der “Prestige“ im Jahr 2002 wohl noch in Erinnerung sein dürfte. Zwei nebeneinander aufragende gewaltige Steinmonumente am Felsstrand unweit der vorbenannten Seefahrerkirche zeugen davon. Wir kamen mit dem Wirt über diese Katastrophe auch kurz ins Gespräch, die die Existenzgrundlage so vieler Menschen an der Küste bedrohte und deren Beseitigung nur mit maximalem Einsatz auch der hier wohnenden Bevölkerung geleistet werden konnte: einem 35-Jährigen kostete dies sogar das Leben. Der Wirt schenkte uns ein Bild von diesem Mann und wir merkten ihm dabei die immer noch sehr starke emotionale Anteilnahme gut an.
Strecke: heute: 35 km / gesamt: 897 km
Mit den nicht gezählten Abstechern, die wir in so manche Bar gemacht haben, erreichen wir locker die 900 km-Marke und beenden damit unseren Camino 2006.

Samstag, 3. Juni 2006

Freitag, 02.06.2006 ::: Pedrouzo bis Santiago de Compostela

Die letzte Etappe verlief auf den ersten 17 km wie an den beiden Vortagen, nur dass die Eukalyptusbäume, die man hier vor längerer Zeit angepflanzt hat und weiter kultiviert, immer mehr zunahmen, zum Teil waren es reine Eukalyptuswälder.
Irgendwo kurz vor dem Monte do Gozo (= Berg der Freude, da man von hier aus Santiago das erste Mal sieht), hörten wir von hinten ein Rufen. Josy, Daniel und Michel hatten uns eingeholt - welch freudige Überraschung.
Zusammen stiegen wir auf den Monte do Gozo und liefen die restlichen 5 km bis nach Santiago, wo wir uns wieder trennten.


Zuerst gingen wir beide im Pilgerbüro vorbei und holten uns unsere "Compostela" (Pilgerurkunde).

Danach war erst einmal ein zweites Frühstück - es war bereits 10:45 Uhr - angesagt.
Danach noch schnell die Berichte von Montag bis Mittwoch ins Weblog eingetragen (die Internet-Diaspora ist hier zu Ende), sodass wir pünktlich um 12:00 in der Kathedrale zur Pilgermesse eintrafen.
Die Kathedrale in Santiago ist schon ein gewaltiger Bau, dessen verwitterte Fassaden eine gewisse Atmosphäre ausstrahlen. Vor allem vom Praza do Obradoiro aus, dem zentralen Platz vor der Kathedrale, der nach links vom 'Hostal Reyes Católicos', einer alten Pilgerherberge und heutigem Parador-Luxushotel, nach hinten vom 'Pazo de Raxoi', dem Amtssitz der galicischen Regierung und des galicischen Präsidenten und nach rechts vom Colegio de San Jerónimo, dem Rektorat der Universität von Santiago eingerahmt wird, ist das beeindruckend.
Auch die Tatsache, dass der eigentlich romanischen Kathedrale eine barocke Fassade komplett vorgesetzt wurde, ist gigantisch, sodass man nach Passieren der barocken Fassade (=Obradoiro) die Kathedrale durch das romanische Portal aus dem 12 Jh. betreten kann.
Der Innenraum der Kathedrale ist gegenüber denen in Burgos, León und Astorga eher schlicht gehalten. Lediglich im hinteren Bereich des Hauptschiffes wird das Ganze richtig prunkvoll.



Die nächsten 2 1/2 Tage werden wir uns Santiago in aller Ruhe anschauen und geniessen, bevor es dann am Montag Richtung Atlantik weitergeht.
Um 15:00 haben wir unsere Herbergsplätze bezogen (Albergue San Lazaro im Stadtteil San Lazaro, ca. 3 km ausserhalb des Stadtzentrums). Die Herberge ist neu, tip-top sauber, grosszügig und geräumig angelegt, im Service inbegriffen ist Bettwäsche/Handtücher, abschliessbarer Schrank und ein nächtlicher Wachdienst. Die Busverbindung ins Zentrum von Santiago (Linie 6 / alle 20 min) ist gut und billig (-,85 € / 10 min Fahrzeit).

Strecke: heute: 22 km / gesamt: 767 km

Donnerstag, 01.06.2006 ::: Melide bis Pedrouzo

Der heutige Weg zog sich, abgesehen von kurzen Ausnahmen auf Asphalt, genauso schön wie am Vortag auf Naturpfaden und Wirtschaftswegen hin. Meist führte dieser auch durch Wald, sodass wir dadurch relativ guten Sonnenschutz hatten. Der eisige Wind von gestern war weg, sodass es im Schatten der Wälder eigentlich ideal zu laufen war. Grössere Steigungen hatten wir nicht mehr, aber das ständige Auf und Ab in der hügeligen Landschaft schlaucht uns trotzdem etwas - warum können wir eigentlich selbst nicht so genau sagen.
Die Landschaft hier hat etwas vom Allgäu, der Schwäbischen Alb und dem Schwarzwald; in einem Herbergs-Gästebuch lasen wir den Eintrag: " Lovely countryside like in Wales." Jeder vergleicht halt mit dem was er kennt.
Als wir in der Herberge ankamen, hatte sich schon eine Schlange gebildet - ca. 30 Leute vor uns, aber bei 120 Plätzen konnten wir das ganz entspannt abwarten. Die Herberge, auch eine öffentliche, ist von Ausstattung und Sauberkeit mit der in Melide zu vergleichen.
Auf dem Weg hierher kamen wir so gegen 8:30 an der öffentlichen Herberge in Ribadiso vorbei, alles war schon ausgeflogen, sodass wir einen Blick hineinwerfen konnten. Tolle Herberge - tolle Lage an einem idyllischen Bach, schöner Innenhof: für künftige Planungen zu empfehlen.

Strecke: heute: 33 km / gesamt: 745 km

Mittwoch, 31. Mai 2006

Mittwoch, 31.05.2006 ::: Hospital da Cruz bis Melide

Die Strecke bis Melide verlief zum grössten Teil über schöne, naturbelassene Wald- und Wanderwege in ständigem Auf und Ab. Heute blies den ganzen Tag über und nicht wie sonst nur morgens ein eiskalter Wind, sodass wir unserer Jacken gar nicht auszuziehen brauchten.

Mittlerweile haben wir die Provinz Lugo hinter uns gelassen und befinden uns in der Provinz La Coruña (galicisch:A Coruña).
Die öffentliche Herberge hier läuft wie alle diese Herbergen in Galicien auf Spendenbasis und erfüllt ihren Zweck für eine Nacht.
Die Zeit am Nachmittag hat Lioba genutzt, um zum Friseur zu gehen. Die Anfangsübersetzung dort habe ich übernommen (den "Arbeitsauftrag" quasi mitgeteilt), den Rest haben die beiden Frauen mit Händen und sonst wie hingekriegt, wie ich nach einer guten halben Stunde, als ich von meinem Stadtspaziergang zurückkehrte, feststellte.


Strecke: heute: 29 km / gesamt 741 km

Montag, 29.05.2006 ::: Triacastela bis Morgade

Heute war es soweit, wir hatten uns das erste Mal verlaufen. Statt kurz vor Barbadelo nach rechts abzubiegen, gingen wir - warum auch immer - nach links, der Weg war aber auch zu schön. Das Schild "Propriedad privada" machte uns zwar etwas stutzig, aber da das Gatter offen stand, gingen wir einfach weiter. Die etwa 50 m unterhalb des Bauerhofs arbeitende Bäuerin riefen wir mit "¡Hola!" an, was offensichtlich das Startsignal für die beiden Hofhunde (einer zum Glück angeleint) war. Mit den Trekkingstöcken in der einen Hand und dem Pfefferspray in der anderen standen wir dem sein Revier verteidigenden Hund gegenüber und traten langsam rückwärts laufend - also quasi geordnet - unseren Rückzug an. 2 km falsch gelaufen bei einer avisierten Gesamtstrecke von mehr als 800 km - das ist ja so gut wie nichts.
Gestartet waren wir heute früh in der Morgendämmerung und gingen in einem "N"-förmigen Höhenprofil auf alten Naturpfaden, meist gesäumt von vor Urzeiten angelegten Natursteinmauern, durch uralte Eichenwälder. Der erst sich gegen etwa 11:00 auflösende Hochnebel begleitete uns von Triacastela bis auf den knapp 900 m hohen Pass von Ríocabo. Von da aus ging es - zum Teil steil - bergab bis nach Calvor. Kurz danach passierten wir Sarria, wo wir wieder auf Roland aus Trier (bereits in San Martín kennengelernt) trafen, der sich erst einmal über deutsche "Taxipilger" auskotzen musste: hatten Herbergsplatz belegt, und müde, fusslahme Pilger wurden wegen Vollbelegung weitergeschickt. Wir denken da genauso.
Von Sarria (543 m NN) aus ging es dann auf den zweiten Gipfel des "N"-Profils und unserem Zielort Morgade (auf keiner Landkarte zu finden: besteht nur aus einem Bauernhof mit angegliedertem Restaurant-/Herbergsbetrieb), das auf knapp 800 m Höhe liegt.
Auch diese Wege wieder ein echtes Naturerlebnis, hoher Ginster (zum Teil 4-5 m hoch), Eichen- und Birkenwälder sowie uralte Pfade. In Morgade hatten wir bereits gestern telefonisch zwei Herbergsplätze reserviert (in manchen privaten Herbergen möglich) und konnten so kurz nach 14:00 ganz entspannt unsere Plätze beziehen. Der grosse Tross zieht eh noch 2 km weiter bis nach Ferreiros, wo es eine kostenlose Herbergsunterkunft (in Galicien üblich) für Pilger gibt, die aber durchaus auch auf Spenden angewiesen sind.

Strecke: heute: 31 km / gesamt: 688 km

Sonntag, 28. Mai 2006

Sonntag, 28.05.2006 ::: O Cebreiro bis Triacastela

Die heutige Etappe haben wir mit 22 km etwas kürzer gehalten, wir wollen Liobas Kniee nach den uns erwartenden etwa 700 Höhenmetern im Abstieg nicht überstrapazieren.
Zunächst ging es aber in einem kurzen Anstieg von O Cebreiro hinauf in den Wald, von wo sich der Weg über Liñares auf die Passhöhe von San Rogue (1270 m) und nach Hospital da Condesa in wechselnden An- und Abstiegen über den Höhenkamm zieht. Nach einem kurzen aber knackigen Anstieg erreichten wir kurz hinter Padornelo den mit 1337 m höchsten Pass des Jakobusweges in Galicien, den Alto de Poio.
Auf den folgenden 12 km bis Triacastela erfolgte der Abstieg bis auf etwa 700 m. Die Landschaft hier ist wesentlich geprägt durch die hier vorherrschende Forst- und Almwirtschaft. Die Strassen durch die Dörfer (keine Strassen wie wir sie kennen sondern meist nur betonierte Rampen, oft auch naturbelassener Boden) zeigen die eindeutigen Spuren des täglichen Kuhtreibens in den Stall und zurück. Das Leben hier ist unter rein materiellen Gesichtspunkten ärmlich; uns erscheint auch, dass hier vorwiegend ältere und alte Menschen leben. So gesehen ist der ökonomische Faktor des Jakobsweges für manches Dorf nicht zu unterschätzen.
In Fonfría, einem dieser halb verlassenen und entsprechend verwahrlosten Dörfer, bot uns eine Bäuerin gegen ein "Donativo" (Spende) Pfannkuchen mit Zucker an. Wir hatten zwar keinen Hunger, nahmen ihr aber doch drei davon (aus ökonomischen Gründen) ab.
In Triacastela fanden wir die Herberge, die wir eigentlich anlaufen wollten auf Anhieb nicht, dafür eine andere, die den ersten guten Eindruck mehr als bestätigte. (Albergue Berce de Camino, Avds. Camilo José Cela 11: Zimmer mit je 3 Stockbetten, Standard der sanitären Anlagen wie zuhause, grosse Küche und Aufenthaltsraum, Kaffeeautomat, freier Internetzugang = perfekt!)
Hier in Triacastela ist heute am Sonntag Markt, parallel dazu gibt es 2 offene Zelte: in einem gibt's Gegrilltes, im anderen werden Tintenfische zu "pulpo" geschnetzelt - lecker!
Wir werden uns jetzt mit unseren Einkäufen vom Markt auf die Herbergsterrasse zurückziehen und diese in aller Gemütsruhe verzehren.

Strecke: heute: 22 km / gesamt: 657 km
dabei etwa 700 Höhenmeter im Abstieg

Freitag, 26. Mai 2006

Freitag, 26.05.2006 ::: Ponferrada bis Pereje

Entgegen unserer gestrigen Aussage, maximal bis 12:00 mittags laufen zu wollen, kamen wir heute gegen 13:30 in der Herberge in Pereje an. Wir liessen es heute einfach langsamer angehen und wollten andererseits für die nächste Bergetappe ein paar Kilometer herauslaufen. Zum anderen läuft es sich bei über 30º einfach nicht so schnell und als Kontrastprogramm zum Besuch der Kirchen und Monumente halten wir das Aufsuchen verschiedener Bars für genauso wichtig; hier lernt man das soziokulturelle Spanien am Besten kennen.
Der Streckenverlauf war entsprechend der Landschaft im Bierzo, die uns unabhängig voneinander an die Schwäbische Alb erinnerte, ein abwechslungsreiches Hinauf und Hinunter. Irgendwie ist im Bierzo alles ein bisschen sauberer, aufgeräumter, etc. Vielleicht sind das hier die Schwaben Spaniens?
Neben Kohlehalden und alten Stahlbergwerken, die wir beim Herauslaufen aus Ponferrada (Pons ferrata - eiserne Brücke) sahen, fielen uns im ringsum von Bergketten umsäumten Bierzo die Gemüse- und Weinbaukulturen auf.
So erreichten wir über Cacabelos Villafranca del Bierzo, das auch das "kleine Compostela" genannt wird. Hier absolvierten wir nochmals unser Kulturdoppel: romanische Santiago-Kirche und anschliessend Altstadt-Bar, bevor wir dann die letzten 6 km nach Pereje in praller Mittagssonne abspulten.
Die Herberge ist spitze: Einzelbetten (ca. 30) in 2 Schlafsäle auf 2 Ebenen aufgeteilt; wir haben einen Fensterplatz und damit "die nächtliche Kontrolle" über das Fenster (es gibt tatsächlich Leute, die bevorzugen in vakuumähnlichen Räumen zu nächtigen). Nur die hiesige Hospitalera ist etwas spröde, "medio-galicisch" wie ein spanischer Pilger augenzwinkernd bemerkte. Im Verlauf des Nachmittags gelang es mir aber dann doch, ihr das ein oder andere Lächeln zu entlocken. Kommunikation funktioniert überall nach den gleichen Regeln.

Strecke: heute: 29 km / gesamt: 612 km