Mittwoch, 31. Mai 2006

Mittwoch, 31.05.2006 ::: Hospital da Cruz bis Melide

Die Strecke bis Melide verlief zum grössten Teil über schöne, naturbelassene Wald- und Wanderwege in ständigem Auf und Ab. Heute blies den ganzen Tag über und nicht wie sonst nur morgens ein eiskalter Wind, sodass wir unserer Jacken gar nicht auszuziehen brauchten.

Mittlerweile haben wir die Provinz Lugo hinter uns gelassen und befinden uns in der Provinz La Coruña (galicisch:A Coruña).
Die öffentliche Herberge hier läuft wie alle diese Herbergen in Galicien auf Spendenbasis und erfüllt ihren Zweck für eine Nacht.
Die Zeit am Nachmittag hat Lioba genutzt, um zum Friseur zu gehen. Die Anfangsübersetzung dort habe ich übernommen (den "Arbeitsauftrag" quasi mitgeteilt), den Rest haben die beiden Frauen mit Händen und sonst wie hingekriegt, wie ich nach einer guten halben Stunde, als ich von meinem Stadtspaziergang zurückkehrte, feststellte.


Strecke: heute: 29 km / gesamt 741 km

Montag, 29.05.2006 ::: Triacastela bis Morgade

Heute war es soweit, wir hatten uns das erste Mal verlaufen. Statt kurz vor Barbadelo nach rechts abzubiegen, gingen wir - warum auch immer - nach links, der Weg war aber auch zu schön. Das Schild "Propriedad privada" machte uns zwar etwas stutzig, aber da das Gatter offen stand, gingen wir einfach weiter. Die etwa 50 m unterhalb des Bauerhofs arbeitende Bäuerin riefen wir mit "¡Hola!" an, was offensichtlich das Startsignal für die beiden Hofhunde (einer zum Glück angeleint) war. Mit den Trekkingstöcken in der einen Hand und dem Pfefferspray in der anderen standen wir dem sein Revier verteidigenden Hund gegenüber und traten langsam rückwärts laufend - also quasi geordnet - unseren Rückzug an. 2 km falsch gelaufen bei einer avisierten Gesamtstrecke von mehr als 800 km - das ist ja so gut wie nichts.
Gestartet waren wir heute früh in der Morgendämmerung und gingen in einem "N"-förmigen Höhenprofil auf alten Naturpfaden, meist gesäumt von vor Urzeiten angelegten Natursteinmauern, durch uralte Eichenwälder. Der erst sich gegen etwa 11:00 auflösende Hochnebel begleitete uns von Triacastela bis auf den knapp 900 m hohen Pass von Ríocabo. Von da aus ging es - zum Teil steil - bergab bis nach Calvor. Kurz danach passierten wir Sarria, wo wir wieder auf Roland aus Trier (bereits in San Martín kennengelernt) trafen, der sich erst einmal über deutsche "Taxipilger" auskotzen musste: hatten Herbergsplatz belegt, und müde, fusslahme Pilger wurden wegen Vollbelegung weitergeschickt. Wir denken da genauso.
Von Sarria (543 m NN) aus ging es dann auf den zweiten Gipfel des "N"-Profils und unserem Zielort Morgade (auf keiner Landkarte zu finden: besteht nur aus einem Bauernhof mit angegliedertem Restaurant-/Herbergsbetrieb), das auf knapp 800 m Höhe liegt.
Auch diese Wege wieder ein echtes Naturerlebnis, hoher Ginster (zum Teil 4-5 m hoch), Eichen- und Birkenwälder sowie uralte Pfade. In Morgade hatten wir bereits gestern telefonisch zwei Herbergsplätze reserviert (in manchen privaten Herbergen möglich) und konnten so kurz nach 14:00 ganz entspannt unsere Plätze beziehen. Der grosse Tross zieht eh noch 2 km weiter bis nach Ferreiros, wo es eine kostenlose Herbergsunterkunft (in Galicien üblich) für Pilger gibt, die aber durchaus auch auf Spenden angewiesen sind.

Strecke: heute: 31 km / gesamt: 688 km

Sonntag, 28. Mai 2006

Sonntag, 28.05.2006 ::: O Cebreiro bis Triacastela

Die heutige Etappe haben wir mit 22 km etwas kürzer gehalten, wir wollen Liobas Kniee nach den uns erwartenden etwa 700 Höhenmetern im Abstieg nicht überstrapazieren.
Zunächst ging es aber in einem kurzen Anstieg von O Cebreiro hinauf in den Wald, von wo sich der Weg über Liñares auf die Passhöhe von San Rogue (1270 m) und nach Hospital da Condesa in wechselnden An- und Abstiegen über den Höhenkamm zieht. Nach einem kurzen aber knackigen Anstieg erreichten wir kurz hinter Padornelo den mit 1337 m höchsten Pass des Jakobusweges in Galicien, den Alto de Poio.
Auf den folgenden 12 km bis Triacastela erfolgte der Abstieg bis auf etwa 700 m. Die Landschaft hier ist wesentlich geprägt durch die hier vorherrschende Forst- und Almwirtschaft. Die Strassen durch die Dörfer (keine Strassen wie wir sie kennen sondern meist nur betonierte Rampen, oft auch naturbelassener Boden) zeigen die eindeutigen Spuren des täglichen Kuhtreibens in den Stall und zurück. Das Leben hier ist unter rein materiellen Gesichtspunkten ärmlich; uns erscheint auch, dass hier vorwiegend ältere und alte Menschen leben. So gesehen ist der ökonomische Faktor des Jakobsweges für manches Dorf nicht zu unterschätzen.
In Fonfría, einem dieser halb verlassenen und entsprechend verwahrlosten Dörfer, bot uns eine Bäuerin gegen ein "Donativo" (Spende) Pfannkuchen mit Zucker an. Wir hatten zwar keinen Hunger, nahmen ihr aber doch drei davon (aus ökonomischen Gründen) ab.
In Triacastela fanden wir die Herberge, die wir eigentlich anlaufen wollten auf Anhieb nicht, dafür eine andere, die den ersten guten Eindruck mehr als bestätigte. (Albergue Berce de Camino, Avds. Camilo José Cela 11: Zimmer mit je 3 Stockbetten, Standard der sanitären Anlagen wie zuhause, grosse Küche und Aufenthaltsraum, Kaffeeautomat, freier Internetzugang = perfekt!)
Hier in Triacastela ist heute am Sonntag Markt, parallel dazu gibt es 2 offene Zelte: in einem gibt's Gegrilltes, im anderen werden Tintenfische zu "pulpo" geschnetzelt - lecker!
Wir werden uns jetzt mit unseren Einkäufen vom Markt auf die Herbergsterrasse zurückziehen und diese in aller Gemütsruhe verzehren.

Strecke: heute: 22 km / gesamt: 657 km
dabei etwa 700 Höhenmeter im Abstieg

Freitag, 26. Mai 2006

Freitag, 26.05.2006 ::: Ponferrada bis Pereje

Entgegen unserer gestrigen Aussage, maximal bis 12:00 mittags laufen zu wollen, kamen wir heute gegen 13:30 in der Herberge in Pereje an. Wir liessen es heute einfach langsamer angehen und wollten andererseits für die nächste Bergetappe ein paar Kilometer herauslaufen. Zum anderen läuft es sich bei über 30º einfach nicht so schnell und als Kontrastprogramm zum Besuch der Kirchen und Monumente halten wir das Aufsuchen verschiedener Bars für genauso wichtig; hier lernt man das soziokulturelle Spanien am Besten kennen.
Der Streckenverlauf war entsprechend der Landschaft im Bierzo, die uns unabhängig voneinander an die Schwäbische Alb erinnerte, ein abwechslungsreiches Hinauf und Hinunter. Irgendwie ist im Bierzo alles ein bisschen sauberer, aufgeräumter, etc. Vielleicht sind das hier die Schwaben Spaniens?
Neben Kohlehalden und alten Stahlbergwerken, die wir beim Herauslaufen aus Ponferrada (Pons ferrata - eiserne Brücke) sahen, fielen uns im ringsum von Bergketten umsäumten Bierzo die Gemüse- und Weinbaukulturen auf.
So erreichten wir über Cacabelos Villafranca del Bierzo, das auch das "kleine Compostela" genannt wird. Hier absolvierten wir nochmals unser Kulturdoppel: romanische Santiago-Kirche und anschliessend Altstadt-Bar, bevor wir dann die letzten 6 km nach Pereje in praller Mittagssonne abspulten.
Die Herberge ist spitze: Einzelbetten (ca. 30) in 2 Schlafsäle auf 2 Ebenen aufgeteilt; wir haben einen Fensterplatz und damit "die nächtliche Kontrolle" über das Fenster (es gibt tatsächlich Leute, die bevorzugen in vakuumähnlichen Räumen zu nächtigen). Nur die hiesige Hospitalera ist etwas spröde, "medio-galicisch" wie ein spanischer Pilger augenzwinkernd bemerkte. Im Verlauf des Nachmittags gelang es mir aber dann doch, ihr das ein oder andere Lächeln zu entlocken. Kommunikation funktioniert überall nach den gleichen Regeln.

Strecke: heute: 29 km / gesamt: 612 km

Dienstag, 23. Mai 2006

Dienstag, 23.05.2006 ::: San Martín bis Astorga

Auf dem Weg nach Astorga wurde die Landschaft allmählich hügeliger und die Bergketten, die wir die Tage zuvor nur ganz weit entfernt am Horizont gesehen hatten, rückten auf einmal näher. Die Vegetation nahm jetzt wieder mehr heideähnlichen Charakter an und auch Wälder waren jetzt wieder zu sehen. In Astorga bekommen wir in der privaten Herberge 'San Javier', etwa 100 m von der Kathedrale entfernt, Platz. Grosszügiger Aufenthaltsraum mit Küchenzeile, sehr schöner windgeschützter Innenhof und 2 Internet-PC's sind uns sofort aufgefallen. Duschen (richtig warmes Wasser) und sanitäre Anlagen sind sehr sauber. Leider hatten wir nach der Handwäsche die Wäscheschleuder benutzt; Liobas Strümpfe waren auf einmal weg und es war schon etwas aufwändiger, diese zwischen Edelstahltrommel und Gehäuse zu finden und "zu bergen".
Astorga ist eine sehr überschaubare Stadt, bei der uns neben der Kathedrale vor allem der Gaudí-Palast, der einem regelrecht ins Auge sticht, aufgefallen ist. Nicht nur von aussen ist dieser Palast eine Augenweide, auch von innen einfach genial. Daneben beherbergt dieser Palast ein Museum, das sog. "Museum der Wege", das auch uns Kunstbanausen mehr als beeindruckt hat. Kurz gesagt ein absolutes Muss, wenn man sich in Nordspanien aufhält. Die Kathedrale lässt sich mit den in Burgos und León überhaupt nicht vergleichen; sie ist einfach und trotzdem bestechend schön. Vor allem die Innensäulen erinnern uns an den Roman 'Die Säulen der Erde'.
Am Nachmittag genossen wir etwas die Sonne im Innenhof und ich nahm dabei mit einem Spanier zusammen ein Sole-Fussbad (eiskaltes Wasser: mucho frio!!) in einem dort eingerichteten speziellen Becken. Soll gut für die Füsse sein - mal seh'n! Vom Wetter her ist es heute tendentiell mal eher so, wie man das mit Spanien eben in Verbindung bringt: sonnig und auch nicht übermässig windig; sehr gut zum Aushalten.

Strecke: heute: 25 km / gesamt: 528 km
Noch ca. 250 km bis SdC und ca. 340 km bis ans Kap

Montag, 22.05.2006 ::: León bis San Martín

Von León heraus, das in einer Art Talkessel liegt, ging es naturgemäss zunächst einmal ansteigend durch verschiedene Vorstädte über 8 km hinauf. Die Temperaturen heute früh waren noch nicht so brickelnd, angezeigt wurden gerade mal 7 Grad. Die gefühlte Temperatur bei permanentem Wind lag noch darunter. Ausserhalb Leóns entwickelte der Wind stürmischen und böigen Charakter, es war regelrecht a....kalt. Zudem begann es auch noch zu nieseln, glücklicherweise nicht von langer Dauer. Der stürmische Wind, der anfangs mehr von rechts aus nördlicher Richtung kam, drehte so langsam auf westliche Richtung, sodass wir echten Gegenwind hatten; erschwerte das Vorankommen schon ganz erheblich.
In San Martín haben wir uns in der erstbesten Herberge (St. Ana) einquartiert. Die haben dort eine Sammelunterkunft für 3 EUR, sowie 9 Doppelzimmer für 6 EUR p.P. Wir haben uns für das Letztere entschieden; Schlafen ohne Ohropax hat einfach eine andere Qualität. Die Herberge ist sauber und o.k., Warmwasser gibt es allerdings nicht immer (wir hatten Glück), Internet (Sky-DSL im Up- u. Download!!) ist kostenlos und Wäsche wird auf Wunsch (gegen Bares) von der Besitzerin gewaschen.
An der Blasenfront kehrt so allmählich Ruhe ein. Ist auch gut so, wenn es dann in ein paar Tagen in die Berge geht.

Strecke: heute: 27 km / gesamt: 503 km

Montag, 22. Mai 2006

Sonntag 21.05.2006 ::: Puente de Villarente bis León

Da Puente de Villarente schon im weiteren Einzugsgebiet von León liegt, gestaltete sich der Weg dementsprechend. Die ersten 4 km ging es noch über Pisten danach dann zunehmend an Industriegebieten vorbei, dann auch durch diese hindurch und schliesslich so gegen 9:00 Uhr durch um diese Zeit noch toten Vorstädte Leóns.
Da die Herberge (wir wählten die der Benediktinerinnen in Zentrumsnähe die städtische Herberge liegt gut 20 Gehminuten ausserhalb des Zentrums) erst gegen 11:00 Uhr öffnete, besichtigten wir zunächst die im gotischen Baustil erbaute Kathedrale. Dass diese Kathedrale ein "mit Licht erfüllter Tempel" sein soll, können wir nicht bestätigen. Es ist da schon ziemlich duster, nichtsdestotrotz ist diese Kathedrale auf ihre Art schön; wesentlich einfach gehalten als die Kathedrale von Burgos aber dafür mit vielen äussert detailliert gearbeiteten Glasfenstern.
In der königlichen Basilika von San Isidoro, einer im romanischen Baustil erstellten Kirche einem quasi spanischen Nationalheiligtum, waren wir (der Vollständigkeit halber) auch und haben dort ebenfalls das Museum besichtigt.
Die Herberge der Benediktinerinnen verfügt über mehr als 100 Plätze, verteilt auf Stockbetten in vier Schlafsälen. WaMa soll es auch geben, die sanitären Anlagen sind sauber.
Um 21:45 Uhr wurde von den Benediktinerinnen eine Pilgerandacht angeboten an der wir teilgenommen haben. Schade daran war nur, dass alles auf spanisch abgehalten wurde, obwohl die überwiegende Mehrheit international war: aberwir sind halt nun mal in Spanien.
Heute früh sind wir in langen Hosen losgelaufen, da wir die Kathedrale besichtigen wollten und die spanische Sichtweise kennen und respektieren. Aber auch vom Wetter her passte das sehr gut. Seit Juan de Ortega bewegen wir uns auf ca. 800 m über NN und seit zweiTagen bläst nicht nur morgens ein kalter Wind. Wir können hier in León auch am Nachmittag unsere Jacken gut gebrauchen.
In der Calle 'La Rúa' kur vor dem Guzman-Palast (von Gaudi errichteter Prachtbau der von der Caja Español 'bewohnt' wird) haben wir eine Bar (Sevilla) aufgetan, die zu den Getränken reichlichst gebackene Kartoffeln und geröstetes Brot mit verschiedenen Belägen reicht. Empfehlenswert!

Strecke: heute: 13 km / gesamt: 476 km

Samstag 20.05.2006 ::: El Burgo Ranero bis Puente de Villarente

Unser heutiges Etappenziel ergab sich aus der Entfernung: León war mit fast 40 km zu weit, Mansillas de Mulas wo es eine Herberge gibt mit 20 km zu nah. In Villarente gibt es laut unserer Liste 3 Hostals. Nachdem das erste geschlossen war und zum Verkauf stand (Hs. Casablanca), beschlossen wir im nächstgelegenen Hostal zu übernachten. Das Hostal 'Delfin verde' kurz nach Ortsbeginn, machte auf den ersten Blick einen etwas zweifelhaften Eindruck, der auch beim zweiten und nächsten Blick nicht besser wurde. Da wir nicht wussten, wo in dem langgestreckten Ort das dritte Hostal lag und ob überhaupt geöffnet, verfuhren wir nach der Devise "lieber einen Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach" und nahmen im 'Delfin verde' ein Doppelzimmer. Um es gleich vorweg zu sagen: Das Hostal ist nicht zu empfehlen - taugt allenfalls als Notunterkunft. Das Preis-Leistungsverhältnis (32 EUR) stimmt für die hiesigen Verhältnisse nicht. Alle bisherigen Herbergen (Ausnahme San Jan de Ortega) waren sauberer. Wenn man ca. 400 m weiter die Durchgangsstrasse entlang geht, kommt man am Hostal Montaña vorbei, das bereits von aussen einen wirklich besseren Eindruck macht (EZ: 24 EUR). Wir waren dort am Nachmittag zur ersten Stärkung in der Bar (Cerveza, Bocadillos) uns haben dort auch für heute abend einen Tisch bestellt. Zum Delfin verde nur noch soviel: einfach abhaken, vom Ärgern wird's nicht besser.
Zur Streckenführung lässt sich eigentlich nicht viel sagen, immer nur geradeaus, meist neben der Landstrasse her auf hartem Untergrund.
Aus aktuellem Anlass (Blase Nr. 6!) der aktuelle Blasenbericht:
Lioba:
  • Blase Nr. 1 = abgeheilt
Thomas
  • Blase Nr. 1 = abgeheilt
  • Blase Nr. 2 = abgeheilt
  • Blase Nr. 3 = gesundes Granulationsgewebe; Epithelisierung steht noch aus
  • Blase Nr. 4 = vorgestern nochmals nachpunktiert und gestern mit Compeed versorgt
  • Blase Nr. 5 = seit gestern mit Faden und Compeed versorgt
  • Blase Nr. 6 = heute mit Fadern und Pflaster versorgt; Compeed folgt
Bei der 10.-ten Blase gebe ich einen aus. :-) Das Gleiche gilt, wenn die Blasen abgeheilt sind.
(Am Schlimmsten ist das morgendliche Schuhe anziehen und danach die ersten 6-8 km, danach wird's erträglich).
Strecke: heute: 26 km / gesamt: 463 km

Mittwoch, 17. Mai 2006

Mittwoch, 17.05.2006 ::: Itero de la Vega bis Carrión de los Condes

Insgesamt fit aber im wahrsten Wortsinn fusslahm erreichten wir kurz vor 14:00 Carrión d.l.C. Die erste Herberge in einem Klarissenkloster hatte schon ein Schild mit "completo / full" aussen angebracht; in der Herberge der Pfarrei erhielten wir aber noch Unterkunft.
Wir hatten schon den ganzen Tag keine guten Beine, sodass die Lauferei insgesamt heute anstrengender als sonst war.
Zunächst ging es in hügeliger Landschaft durch üppige und grosse Felder. Die Spanier bezeichnen dieses Gebiet als 'Tierra de Campos' (etwa: Erde der Felder) und haben hier ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem installiert.
Über Boadillo del Camino, das vor allem durch seine zerfallenden Lehmhäuser auffällt und uns durch den grossen, gotischen Pranger aus dem 15. Jh. in Erinnerung bleibt, gingen wir auf Fromista zu. Ein gutes Stück des Weges führte uns am Kanal von Kastilien entlang, der ursprünglich (17. Jh. gebaut) als Transportweg gebaut, heute der Bewässerung der 'Tierra de Campos' dient.
In Fromista schauten wir uns die dortige Kirche San Martín an, eine der ersten romanischen Kirchen Spaniens; leider nur von aussen - geöffnet wurde erst ab 10:00. Wir genehmigten uns einen ersten Café con Leche und konnten zusehen, wie vier Französinnen, die in der gleichen Unterkunft wie wir übernachtet hatten einem Taxi entstiegen und ihre Rucksäcke aus dem Kofferraum holten. Wir nennen diese Leute im Gegensatz zu den Buspilgern einfach nur "Taxipilger". Schon in Belorado, wo wir mit Peter frühstückten, hatte wir ein ähnliches Erlebnis: zwei deutsche Ehepaare, beide wie aus dem Schöffel-Ei gepellt, kamen (offensichtlich direkt aus dem Hotel) in die Bar stolziert (selbstverständlich mit Rucksack) und bestellten ein Taxi nach Burgos.
Von Fromista ging es ätzende 4 km immer kerzengerade aus nach Población de Campos und von da aus genauso weiter Richtung Villalcázar de Sirga.
In einem dazwischen liegenden Dorf an einem Brunnen eine kurze Rast bei Weissbrot und Chorizo (span. Paprikawurst - lecker!) und danach neben einer Landstrasse auf einer Piste bis Villalcázar d.S. Bis zur Rast hatten wir unseren 3L-Wasservorrat bereits aufgebraucht; die Sonne brannte schon jetzt am frühen Vormittag stechend auf uns herab. Die bei der Rast erneut aufgetankten 3L Wasser reichten gerade so bis Carrión de los Condes.
Heute haben wir in der Herberge wieder Paul, einen sympathischen Rentner aus Mönchengladbach getroffen.
De Nachmittag sitzen wir vor und in verschiedenen Bars und gucken was die Leute hier so machen.

Strecke: heute 34 km gelaufen / gesamt: 378 km
(die Hälfte bis SdC haben wir!!)

Dienstag, 16.05.2006 ::: Hontanas bis Itero de la Vega

Nach einer sehr erholsamen Nacht - wir haben beide bestens geschlafen - sind wir heute um 6:40 in Richtung Itero de la Vega losgezogen.
Nach den beiden letzten Tagen wollten wir heute einen Erholungstag einlegen und nur 22 km laufen. Auf eben verlaufenden angenehmen Naturpfaden durch Felder, verliessen wir Hontanas, das wir in bester Erinnerung behalten werden. Nach etwa 5 km erreichten wir das ehemalige Kloster St. Antón, in dem im Mittelalter leprakranke Pilger behandelt wurden und wo heute eine einfache Pilgerherberge untergebracht ist.
Gegen 8:30 erreichten wir nach 10 km Castrojeriz und nahmen dort in einer vampirsicheren Bar unser Frühstück ein. Am Deckenbalken hing ein mindestens 5 m langer, mächtiger Knoblauchstrang und an der Wand hing ein überdimensionaler Rosenkranz, dessen Perlen einen Durchmesser von 3 cm hatten. Den dortigen Internetzugang nutzten wir, die Berichte von Sonntag und Montag einzugeben. Habe mich an die spanische Tastatur immer noch nicht gewöhnt: kein Scharf-s, z und y sind vertauscht, ä, ü, ö muss man mit Doppeltastenkombination schreiben; dafür gibt es Tasten für ¡, ¿, ñ, ....
Darüber ist es jetzt auch schon nach 9:00 geworden und der Tabakladen, der 400 m weiter die Strasse hinunter sich befinden soll, müsste jetzt geöffnet haben. Wir brauchen endlich Briefmarken, um die in Burgos geschriebenen Postkarten abschicken zu können.
Wir verlassen Castrojeriz und können in der Ferne schon den Aufstieg auf den vor uns liegenden Tafelberg erkennen. Etwa 2 km lang zieht sich die Piste hinauf, die wir recht locker bewältigen. Die drei spanischen Radfahrer, die mal gerade eben so an uns vorbei strampeln können, müssen da deutlich mehr Körner lassen. Vom Tafelberg aus geniessen wir den einfach nur wunderschönen Panoramablick bei bester Weitsicht. Wie wiederholen uns gerne: Spanien ist ein weites, von hier aus unendlich weites Land. Wie schon gestern hatten wir auch heute wieder sehr schönes Wetter: strahlend blauer Himmel, vereinzelte ein paar Schäfchenwolken, mit Sonnenschein und beständig leichter Brise. Sehr angenehm, aber auch sehr gefährlich! Ich laufe vorsichtshalber lieber in langen Hosen: ich bin ja trotz meines bereits fortgeschrittenen Alters durchaus noch lernfähig.
Auf dem Tafelberg treffen wir Elisabeth aus Ingolstadt, die letztes Jahr von St. Jean P.d.P. bis Burgos gelaufen ist und dieses Jahr von Burgos für 14 Tage auf dem Camino Richtung Santiago unterwegs ist. Wir sind unseren Arbeitgebern (Caritas-KH Bad Mergentheim www.ckbm.de / Fa. Wenz-Elektrotechnik, Grossrinderfeld) nicht nur in diesem Moment dankbar, dass diese uns 6 Wochen für den Gesamtweg ermöglicht haben.
Der ca. 300 m lange Abstieg vom Tafelberg war recht steil, was wir beiden besonders an unseren Blasen spürten, die wir gestern anpunktiert hatten und in die jetzt bestimmt wieder Sekret eingelaufen ist. Wir werden heute nochmals nachpunktieren und die Richtung des Stichkanals verändern.
Es ist schon etwas anderes, über längere Zeit täglich mit Gepäck zulaufen, als nur mal eine Wochentour in den Alpen oder in den Mittelgebirgen zu unternehmen. Unsere "Felgen" sind aber insgesamt noch o.k., Muskulatur und Gelenke machen uns bis jetzt gar keine Probleme.
Über Felder erreichen wir die Kirche San Nicolás, Teil eines Pilgerhospitals des Malteser-Ordens aus dem 13. Jh., in dem heute die Jakobusbruderschaft aus Perugia mit freiwilligen Helfern aus Italien einen Herberge führt. Kurz danach queren wir den Fluss Pisuerga über eine mittelalterliche Brücke und verlasen damit die Provinz Burgos und betreten die Provinz Palencia, die beide zu Castilla y León gehören. Nach weiteren 1,5 km kommen wir gegen 12:00 in Itero de Vega an, wo wir uns heute in dem Hostal "Fitero", das neben einer typischen Pilgerherberge auch normale Zimmer anbietet, den "Luxus" eines Doppelzimmers mit eigener Dusche/WC gönnen. Das kostet zwar statt 4 € dann 17,50 € pro Nase, aber das ist es uns wert (...eine Nacht ohne Ohropax...) und auch nicht wirlich teuer.
Davon, dass wir hier schon unseren Etappenstopp eingelgegt haben, versprechen wir uns auch, die nächsten Etappen azyklisch gegen den Hauptstrom laufen zu können. Mal schauen, ob sich diese Theorie auch in der Praxis halten lässt.

Strecke: heute 22 km / gesamt 344 km.
Noch ca. 430 km bis SdC und 520 km ans Kap.

Dienstag, 16. Mai 2006

Montag, 15.05.2006 ::: Burgos bis Hontanas

Relativ spät um 6:40 gingen wir heute auf die Piste. Burgos hatten wir recht schnell hinter uns gelassen und ereichten über Umwegen (Bau einer Schnellstrasse) nach 9 km Tardajos.
Da vor 9:00 in Spanien der Hund noch begraben ist, kamen wir weder hier noch 2,5 km später in Rabé de Calzadas zu unserem Frühstückskaffee (Automatenkaffee in der Herberge wollten wir nicht). Erst in de Hornillos del Camino konnten wir in einer relativ neuen Tienda ein paar Essensvorräte bunkern und in einer Bar unseren obligatorischen Café con leche geniessen.
Wir waren gerade im Begriff die Bar zu verlassen, als wir durch den Türvorhang eine Prozession direkt auf uns zukommen sahen. Die Strasse von der nahe gelegenen Kirche läuft direkt auf die Eingangstür der Bar zu und schwenkt kurz davor nach rechts ab.
Ganz vorn ein Fahnenträger, der eine riesige Fahne ( die Stoffbahn allein war mindestens 4 m hoch) in einem speziellen Hüftgurt trug, sekundiert von einem weiteren Mann wohl zur Sicherung, da bei jedem die Strasse überspannenden Stromkabel die Fahne entsprechend abgesenkt werden musste; jedes Mal ein gewaltiger Kraftakt. Dem Fahnenträger folgten 5 weitere Männer, einer trug das Kreuz, die vier anderen ein Tragegestell mit einer Statue - offensichtlich die des hiesigen Schutzpatrons. Dahinter folgte der Pfarrer und diesem sechs alte Frauen, die die Prozession gesanglich gestalteten.Wir folgten der Prozession noch bis aus dem Dorf hinaus ins freie Feld, wo der Fahnenträger bei den herrschenden Windverhältnissen ganze Arbeit leisten musste und gingen dann weiter auf unserem Weg.
Landschaftlich ist nur soviel anzumerken; hügeliges Land mit riesigen Getreidefeldern (bis zum Horizont); vielleicht die Kornkammer Spaniens?
In Hontanas haben wir heute Stopp gemacht und sind dort in einer gemeindeeigenen Herberge untergekommen, die von ein paar Frauen des Dorfes gemanaged wird. Und die habe die Sache voll im Griff. Die Herberge ist komplett neu renoviert und in altem spanischen Stil restauriert: alles top sauber und sehr geräumig. Die andere Herberge am Ort, die in der Bar "El Puntido" untergebracht ist, ist ebenfalls neu renoviert und sehr sauber wie wir hören. In beiden Herbergen kostet die Übernachtung 5 Euro.
Den Nachmittag verbringen wir auf einer Bank in der Hauptgasse des autofreien Dorfes, wo auch die Herbergsfrauen ihre Siesta verbringen. Fast zwangsläufig kommt es zum Austausch darüber wer wieviel Kinder in welchem Alter hat.

Strecke: heute: 30 km / gesamt: 322 km

Sonntag, 14.05.2006 ::: San Juan de Ortega bis Burgos

Notgedrungen (das Schnarchkonzert war übermächtig) waren wir heute bereits um 5:00 Uhr aufgestanden und noch in der Morgendämmerung gestartet. Da die Piste relativ breit und gerade war, brauchte man Taschenlampen nur zur Orientierung und nicht für den Weg.
Nach Agés ging es dann im Morgengrauen hinauf die Sierra de Atapuerca (bekannt sind die gleichnamigen Höhlen mit den Skelettfunden der ältesten Europäer). Die Morgendämmerung war längst vorbei, die Sicht allerdings nur wenig besser, Hochnebel war aufgezogen und die Fleece-Jacken waren auch noch nach 9:00 Uhr zwingend erforderlich; es wehte ein eiskalter Wind.
Im Abstieg durchquerten wir 3 Dörfer, eines davon schon halb verfallen und kaum noch bewohnt, und näherten uns allmählich Burgos. Über 9 km zog sich der Weg durch Vorstädte und Industriegebiete, bis wir endlich an der Kathedrale im Zentrum von Burgos ankamen.
Die Kathedrale ist, von innen wie von aussen, einfach gigantisch! Wir können das gar nicht beschreiben. Wir mussten die Besichtigung der Kathedrale regelrecht abbrechen - das ist schlichtweg zuviel. Da wurde in früheren Zeiten unendlich viel Geld, Zeit und Arbeit in diese kolossale Bauwerk hineingepumpt. Die Kathedrale ist im Ganzen wie in all ihren Details und Facetten einzigartig und wunderschön, andererseits ist ein Hang zur Gigantomanie unverkennbar; damit können wir weniger anfangen.
Die Herberge "El Parral", ca, 2 km ausserhalb des Zentrums in einem Park gelegen, ist gut und sauber und kostet gerade mal 3 Euro. Die über einer Kapelle gelegene Herberge "Santiago y Sta. Catalina" gibt es offensichtlich nicht mehr. Ein Aushang weist sie als permanent geschlossen aus, obwohl Wegweiser noch auf sie hinweisen .
Burgos ist nicht nur architektonisch eine schöne Stadt. Nahezu rund um's Zentrum ziehen sich Platanen-Alleen für Fussgänger, die ganze Innenstadt ist lebendig und pulsiert auch am Wochenende, wobei die Mehrzahl der Leute keine Touristen sind. Eine Stadt mit ausgesprochenem Wohlfühlcharakter.

Strecke: heute: 27 km / gesamt: 292 km